Die nach der Zerstörung im 30-jährigen Krieg wieder aufgebaute Stadt Burgdorf ist damals in Quartiere eingeteilt; Hausnummern gibt es noch nicht. Das Haus Balsam (auf dem Bild ganz rechts) liegt nach der im Stadtarchiv verwahrten Hausakte im Quartier 2 Nr. 9. Es hat die Brandversicherungsnummer 39 und ist mit 100 Reichsthalern bewertet. Als erste Eigentümer werden in einem undatierten Blatt Lütert Lüters und später Lüdecke Kobbey genannt. In der Akte heißt es: „Ist nichts darbey“. Es gehört also kein weiterer Grundbesitz dazu. Der nächste Hauseigentümer ist der Kürschnermeister Johann Kubbey, ein Sohn des Lüdecke Kobbey. Die Schreibweise der Namen verändert sich in dieser Zeit häufiger. Johann Kubbey heiratet 1694 Margarete Häpken aus Kolshorn. Nach dem am 8. Juni 1694 in Aligse geschlossenen Ehevertrag bringt die Braut einen „baren Brautschatz von 30 Marien Gülden“ in die Ehe ein. Der Bräutigam verpflichtet sich, seiner Frau ein Erbrecht an seinem Haus zu gewähren, welches anfangs „ganz ruinös, baufällig und zerbrechlich gewesen, nunmehr aber von dem Bräutigam aus seinen sauer und schwer verdienten Mitteln in ziemlichen Stand gebracht“ ist. Wenn das Haus also schon 1694 grundlegend saniert worden ist, musst es schon länger gestanden haben. Die Ähnlichkeit mit dem 1648 errichteten Ackerbürgerhaus in der Kleinen Bahnhofstraße 9 spricht dafür, dass auch das Haus Am Brandende 6 wenige Jahre nach dem 30-jährigen Krieg entstanden ist.
1734 ist Hans Christof Wiegant Eigentümer des Hauses. Er verkauft es an den Tuchmacher Conrad Heinrich Blancke. Der heiratet Catharine Elisabeth Große. Um 1760 legt die Stadt Burgdorf ein neues Gebäudeblatt für das Haus an. Eigentümer ist jetzt Johann Wilhelm Düsterding. Zum Haus gehören nun ein „Garten Vor dem Hannoverschen Thor“ und „Feldland Vor dem Hannoverschen Thor Bey der Knobsberger Windmühle“, der späteren Marris Mühle. Nach dem Tode Düsterdings und seiner Frau verkaufen die Vormünder der Kinder den Grundbesitz 1779 an den Schuster Daniel Borchert. Das kleine Fachwerkhaus am Bullenberg, wie die Bürger den Platz in der Altstadt nennen, ist zu dieser Zeit „niederfällig“, das heißt stark reparaturbedürftig. Mit dieser Eintragung endet die Hausakte.
Die Handwerker, die im Haus am Bullenberg wohnen, halten für ihren eigenen Bedarf auch Vieh. Schweine und vielleicht auch eine Ziege stehen in dem kleinen Stall hinter der Werkstatt. Hühner laufen frei umher. Der anfallende Mist kann nicht immer gleich aufs Feld gebracht, sondern muss hinter dem Haus zwischengelagert werden. Die hygienischen Verhältnisse sind entsprechend.
Für die Zeit bis zur Einführung der Grundbücher bei den Amtsgerichten (um 1880) enthalten nur die Häuserlisten und die ab 1852 angelegten Hypothekenbücher Hinweise auf die jeweiligen Eigentümer. Es sind im Jahre 1817 „Vahberg“ und im Jahre 1848 „Meyerheims Erben“.
Am 8. September 1880 legt das Amtsgericht Burgdorf das Grundbuch für das Grundstück Hinterstraße 67 (ab 1946: Brandende 6) an. Geladen ist Frau Minna Evers geb. Oppermann. Sie erklärt: „Ich habe den Grundbesitz 1878 von meiner verstorbenen Mutter Helene König geb. Dörges, verw. Oppermann, in zweiter Ehe verheiratet mit dem Leineweber Ludolph König, geerbt.“ Minna Evers ist die Ehefrau des Schneidermeisters Heinrich Evers. Sie stirbt im Alter von nur 49 Jahren am 3. April 1902. Das Eigentum besteht zu dieser Zeit aus dem nur 95 Quadratmeter großen Hausgrundstück, einem Acker im Galgenfeld, Weiden im Faulen Moore und einer Wiese in der Wesche (Mösch). Erben sind ihre sechs Kinder.
Der Schneidermeister Heinrich Evers beantragt im November 1911 beim Magistrat der Stadt Burgdorf, ihm (als Vormund seiner Kinder) zu genehmigen, eine Entwässerungsanlage für das Grundstück herstellen zu lassen und diese an das Städtische Kanalnetz anzuschließen. Er legt einen Entwässerungsplan bei. Der Polizeisergeant Rautenkranz prüft den Plan am 9. November 1911. Er wird noch am selben Tag vom Magistrat genehmigt. Die Gebühr beträgt 4,00 Mark. Für die Ausfertigung und Zustellung sind 0,55 Mark zu entrichten.
Heinrich Evers, der nach dem Tode seiner Frau Minna die Witwe Hermine Tränker geb. Sander heiratet, stirbt am 20. November 1920. Er war ein sehr einsatzfreudiger Handwerksmeister und Bürger. Nach den im Kreisblatt veröffentlichten Todesanzeigen war er Gründungsmitglied der Freiwilligen Feuerwehr, Vorsitzender der Vereinigten Schneidermeister für Burgdorf und Umgebung, Ehrenvorstandsmitglied der Neuen Totenkasse, Mitglied des Arbeiter-Bildungsvereins, der Feuerwehrkapelle, des Kriegervereins und der Liedertafel Burgdorf. Am 12. Januar 1921 verkaufen seine Kinder das Haus an den Auktionator Friedrich Rieke für 26.000 Mark. Schon am 1. Dezember 1921 veräußert Rieke das Haus an Frau Alwine Schepeler. Der Kaufpreis beträgt 27.000 Mark. Ihr Mann ist Schrankenwärter bei der Deutschen Reichsbahn und muss, wie damals erforderlich, dem Grundstückskauf seiner Frau zustimmen. Frau Schepeler stirbt am 2. Juni 1930. Das Haus Am Brandende 6 erben ihre vier Kinder. Es wird im Erbvertrag als baufällig bezeichnet und nur mit 1.200 Mark bewertet. 1934 kommt es zur Zwangsversteigerung. Der Zimmermann Ludwig Sieroux erhält für ein Gebot von 1.525 Mark den Zuschlag und ist damit neuer Eigentümer.
Im September 1938 schreibt der Bürgermeister an Ludwig Sieroux: „Das Ihnen gehörende Wohnhaus bedarf dringend eines neuen Anstriches. …Wegen der Farbe setzen Sie sich mit dem Bauamt in Verbindung.“ In einem weiteren Brief vom 12. September 1938 an Frau Adolfine Sieroux wird für die Ausführung der Arbeiten eine Frist bis zum Frühjahr 1939 gesetzt. Die Stadtsparkasse lehnt eine Finanzierung der Malerarbeiten ab. Am 6. September 1939 – eine Woche nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs – erklären die Eheleute Sieroux, dass sie die geforderten Erhaltungsaufwendungen nicht vornehmen können, weil die Finanzierung gescheitert sei und wegen der politischen Lage kein Baumaterial zur Verfügung stehe; sie bieten an, die Arbeiten durchzuführen, sobald bessere Verhältnisse eintreten.
1974 plant Hans Bühring, das Haus zu kaufen und dort eine Weinstube einzurichten. Der Architekt Koppelt fertigt dazu Bauzeichnungen an. Das Vorhaben entspricht auch der von der NILEG (Niedersächsische Landesentwicklungsgesellschaft) vorgelegten Zielplanung zur Innenstadtsanierung. Die Pläne scheitern jedoch aus kaufmännischen Gesichtspunkten.
Seit 1981 sind Dagobert Balsam und Rita Ebeling neue Eigentümer. Sie beantragen eine Nutzungsänderung. Im Erdgeschoss soll ein Antiquitätengeschäft eingerichtet werden. Die Nutzungsänderung wird grundsätzlich genehmigt. Ein neues Schaufenster darf jedoch nicht gebaut werden. Als Schaufenster sollen die vorhandenen Fenster dienen. Die bisherige Haustür entfernen die neuen Eigentümer und stellen den ursprünglichen Eingang weitgehend wieder her. Am 11. 4. 1988 sind die Renovierungsarbeiten abgeschlossen. Das Stadtbauamt erteilt den Bauabnahmeschein.
Die Bezirksregierung Hannover stellt das Haus am 5. 2. 1987 unter Denkmalschutz. In der Beschreibung des Hauses heißt es, dass nach der Form der Karniesknaggen das Gebäude um 1700 gebaut sein muss. Diese Vermutung trifft aber – wie eingangs ausgeführt – nicht zu.
Textquelle: Heinz Neumann (Burgdorfer Stadtchronist)